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Fünf Fragen an Carlo W. Becker

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»Urbanes Nachleben findet in »Freiräumen« statt, sie sind die Bühne der aktiven Stadtgesellschaft in der Nacht…«

stadtnachacht im Interview mit Carlo W. Becker


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SNA: Assoziieren Sie den Begriff Nachtleben eher mit Kultur oder mit Ökonomie?

Becker: Mit beiden Begriffen, aber auch noch mit viel mehr, wie Vergnügen, Spaß, Abwechslung, Kommunikation usw.


SNA: Die Attraktivität des Nachtlebens einer Großstadt wird oft als Urbanitätsfaktor schlechthin angesehen. Welche räumliche Dimension hat der Begriff Nachtleben für Sie?

Becker: Nachleben benötigt Räume, wo Nachleben stattfinden kann. Ich möchte dabei zwei Raumtypen unterscheiden: indoor und outdoor.

Mich interessiert weniger der Innenraum, sondern der Außenraum, also die Straßen, Plätze, Parks und die selbstgemachten Freiräume, wie z.B. die Strandbars. Urbanes Nachleben findet in diesen Freiräumen statt, sie sind die Bühne der aktiven Stadtgesellschaft in der Nacht. Die spannende Frage ist dabei, wie ein Stadtraum zu einem urbanen, attraktiven Nachtraum wird? Welche Faktoren müssen zusammenkommen, welche Atmosphäre wird benötigt, wer sind die Macher?


SNA: Welche Rolle spielen konkret Stadtplanung und Stadtentwicklung(-spolitik) im Themenfeld Stadt, Nachtleben und Nachtökonomie für Sie?

Becker: Nachtleben ist in der Stadtpolitik in der Regel nicht positiv besetzt. Ich kenne mehr Bebauungspläne die Vergnügungsstätten, Peepshows oder Spielhallen ausschließen als ermöglichen. Nachtleben wird mit Lärmbelastungen für die Anwohner gleichgesetzt. Nachtleben als Zukunftsaufgabe der Stadtentwicklung zu erkennen, bedarf noch einiger Überzeugung.

 

SNA:Welches sind vor Ihrem beruflichen Hintergrund die interessantesten Fragestellungen und Themen im Zusammenhang mit Stadt und Nachtleben?

Becker: Als Landschaftsarchitekt sind zwei Themen für mich von besonderer Bedeutung:

1. Die Rolle des öffentlichen Raumes als Bühne für die Nachtgesellschaft. Was muss er bieten? Wie ist das Zusammenspiel von öffentlichen Raum und privaten Angeboten für das Nachleben? Wie entstehen Anlässe, so dass Nachtleben entstehen kann? Der Mauerpark oder Admiralsbrücke mit ihren super Sonnenuntergängen sind solche Orte, wo – nicht immer ganz konfliktfrei – Tag- und Nachleben entstanden ist. Solche Orte sind von besonderer Bedeutung für die Nachtatmosphäre einer Stadt.

2. Die Bedeutung von temporären Nutzungen oder informellen Zwischennutzungen für das Nachtleben in der Stadt. Die Strandbars an der Spree sind hierfür ein gutes Beispiel: Hippe Orte, die nicht mit einer Großinvestition begonnen haben, sondern nach und nach entstanden und gewachsenen sind. Diese improvisierten Orte bringen eine eigene Kultur in die Stadt. Sie vagabundieren durch die Stadt. Die Bedeutung dieser temporären Nachtnutzungen sind in der Stadtentwicklung bisher wenig untersucht worden.

 

SNA: Welche Akteure sind in diesem Zusammenhang für Ihre Arbeit besonders wichtig, wo gibt es bereits Kooperationen und welche müssten evtl. noch verstärkt/aufgebaut werden?

Becker: Die Akteure der Zwischennutzung und der temporären, informellen Stadtnutzung sind mit den Raumpionieren bereits fester Bestandteil innovativer Stadtentwicklung. Die Nachtkooperationen müssten noch weiter ausgebaut werden. Forschungs- und Planungsbedarf sehe ich hier auf jeden Fall, vor allem um Hürden für die Macher abzubauen.

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Prof. Dr. Carlo W. Becker ist Landschaftsarchitekt und Gesellschafter im Büro bgmr Landschaftsarchitekten (Berlin). Neben freiraumplanerischen Projekten auf Stadtteil- und gesamtstädtischer Ebene beschäftigt er sich mit Fragestellungen im Zusammenhang mit Nutzungskonflikten im öffentlichen Raums und – unter dem Stichwort der »Multicodierung« – mit den Möglichkeit der Nutzungsdiversifizierung öffentlicher Stadträume. Seit 2011 hat er eine Vertretungsprofessur für Landschaftsplanung und Freiraumgestaltung an der BTU Cottbus inne.

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www.bgmr.de

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